Spurensuche in St. Petersburg 2019
Unser Gegenbesuch im Schuljahr 2018/19
Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Privaten Gymnasiums der Zisterzienserabtei Marienstatt besuchte die russische Partnerschule Nr. 27 in St. Petersburg, nachdem die russischen Schülerinnen und Schüler bereits im September des vergangenen Jahres im Westerwald weilten.
Der sehr intensive und arbeitsreiche Austausch stand unter dem Titel: Deutsche Spuren in St. Petersburg bzw. Russland. Bereits im Vorfeld hatten sich die deutschen und russischen Kollegen Gedanken darüber gemacht, wie das Thema mit Leben gefüllt werden könnte.
Nach der sehr herzlichen Begrüßung in der Schule gab es zunächst eine Schulführung, bei der die sehr sauberen und künstlerisch gestalteten Räumlichkeiten in einem altehrwürdigen Gebäude an der Newa in Augenschein genommen werden konnten. Die technische Ausstattung mit PC war in fast allen Klassenräumen gegeben.
Der Einfluss der Deutschen im Russischen Reich war geprägt durch die vielen Vermählungen deutscher adliger Frauen mit hochgestellten Persönlichkeiten am russischen Zarenhof. Allen voran natürlich Katharina die Große, die als Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst mit dem späteren Zaren Peter III (aus der Dynastie Romanow-Holstein-Gottorp) verheiratet war. Sie wurde in der Kasaner Kathedrale in St. Petersburg nach dem Staatsstreich gegen ihren Ehemann zur Alleinherrscherin Russlands erklärt. Neben dieser sehr bekannten Persönlichkeit gab es noch eine Reihe deutscher Prinzessinnen in Russland, deren Geschichte der deutsch-russischen Gruppe beim Besuch des Peterhof bei St. Petersburg näher gebracht werden konnte. Auch der Besuch der Eremitage, erbaut nach Plänen des dt.-russ. Architekten Veldten und durch den deutschen Architekten von Klenze erweitert, diente dazu, die Geschichte der Deutschen am Zarenhof näher zu ergründen. Die Eremitage ist eines der größten Kunstmuseen der Welt, doppelt so wie bspw. der Louvre in Paris.
Der Besuch eines Apothekermuseums stand als weiterer Höhepunkt auf dem Programm. Diese ehemalige Apotheke wurde von Wilhelm Poehl gegründet, dessen Vorfahren Anfang des 19. Jahrhunderts aus Perleberg nach Russland auswanderten. 1871 wurde die Apotheke zur Hofapotheke des Zarenhofs. Der Sohn promovierte in Gießen und übernahm 1875 die Apotheke. Unter seiner Ägide wurde sie zu einem Zentrum wissenschaftlicher Forschung. Eine beeindruckende Führung durch die ehemaligen Räume führte die Gruppe auch in den Kellerbereich, der noch als Luftschutzbunker zu erkennen war. Hier konnten die Menschen der Umgebung während der Blockade Leningrads (heute St. Petersburg) durch die Wehrmacht Schutz finden.
Die Stadtrundfahrt, die die Gruppe auch in die Außenbezirke der Millionenstadt führte, hatte als Ziel auch einen Friedhof, auf dem ein Teil der 1,1 Mio Opfer der Leningrader Blockade in Massengräbern beigesetzt worden war.
Diese Stätte des Gedenkens ließ das Leid der Bevölkerung der Stadt während des Zweiten Weltkrieges erahnen. Die geplante Vernichtung der Bevölkerung und die Zerstörung der Stadt gehören sicherlich zu den schlimmsten Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Russland. Auch der Besuch eines Mahnmals innerhalb der Stadt brachte der Gruppe die Lebensumstände der städtischen Bevölkerung nahe. Für die deutschen Schüler bewundernswert war, dass trotz aller Entbehrungen (Lebensmittel, Brennstoffe und Medikamente waren knapp bzw. fehlten) und trotz ständiger Bombardierung das kulturelle Leben nicht zum Erliegen kam. In den 900 Tagen der Blockade waren Theater und Konzertsäle weiterhin offen und boten jeden Tag ein Programm an. Dieses überlebenswichtige Interesse an der Kultur zeigt sich auch heute noch in den vielfältigen Theatern, Konzertsälen und Museen der Stadt.
Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch der St.-Petri-Kirche an der Hauptverkehrsachse und Prachtstraße der Stadt, dem Newski-Prospekt. Etwas abseits vom Lärm und der Geschäftigkeit gelegen, besteht diese größte lutherische Kirche in Russland seit 1727. Die Vorgängerkirche befand sich auf dem Gebiet der Peter-und-Paul-Festung.
Die Geschichte der Kirche ist eng mit der Politik verflochten. Unter Stalin wurde sie komplett gesperrt, so dass keine Gottesdienste mehr stattfinden konnten. Die Kirche stand leer, bis man 1962 ein Schwimmbad im Innenraum einbaute. Dieses Schwimmbecken ist noch vorhanden. Im Kellerbereich ist das gut zu erkennen. Auch die Zuschauerränge sind noch erhalten geblieben. Im Keller selbst befindet sich noch eine kleine Ausstellung über die Geschichte der deutschen evangelischen Christen während der Zeit der Verfolgung nach 1945. Seit 1997 wird die Kirche wieder für Gottesdienste genutzt.
In der Zeit des Austauschs fiel auch die „Deutsche Woche in St. Petersburg“. Während dieser Veranstaltung findet auf der einen Seite ein Kulturprogramm mit deutschen Künstlern statt, die auf St. Petersburger Bühnen konzertieren. Dabei unterstützt Hamburg als deutsche Partnerstadt diese kulturellen Aktivitäten. Auf der anderen Seite zeigen deutsche Unternehmen, die in St. Petersburg bzw. Russland ihre Niederlassungen haben (Lufthansa, Henkel u.a.) ihre Leistungsfähigkeit und ihre positive Zusammenarbeit mit der heimischen Industrie und Wirtschaft.
Alle aufgeführten Aktivitäten der deutsch-russischen Schülergruppe wurden während des Aufenthalts dokumentiert, damit die Projekte gemeinsam von den deutschen und den russischen Schülern zum Ende des Austauschs in der jeweiligen Landessprache in der Schule vorgestellt werden konnten.
Neben diesen für die deutsch-russische Freundschaft sehr wichtigen Sehenswürdigkeiten stand auch der tägliche Schulbesuch auf dem Programm. In den unterschiedlichen Fächern von Sport bis Informatik konnten die deutschen Schülerinnen und Schüler am Unterricht teilnehmen und so Vergleiche zum deutschen Schulalltag ziehen. Neben dem schulischen Alltag erlebten die Marienstatter Schüler hautnah auch das tägliche Leben innerhalb der Gastfamilien.
Abschließend lässt sich feststellen, dass durch diesen Austausch Freundschaften entstanden sind, die sicherlich noch lange anhalten werden und gerade in Bezug auf die Völkerverständigung der beiden Länder sehr wichtig sind.
Für die finanzielle Unterstützung bedankt sich die Marienstatter Gruppe unter der Leitung von Herrn Heinrichs, Herrn Kläsner und seiner Frau ganz herzlich bei der Stiftung „Deutsch-russischer Jugendaustausch“ und beim Förderverein des Gymnasiums.
Martin Kläsner